Der Cocktail-Roboter mixt die Farbe

Sieben Meter lang, zwei Meter hoch, zweieinhalb Tonnen schwer: im Sprengel-Museum entsteht die Cyber-Skulptur „Sker“ von Peter Lang

von Henning Queren, Hannoversche Allgemeine vom 10.03.2022

Hannover. Die Natur hat Jahrmillionen gebraucht, um entsprechende geologische Formationen zu produzieren, im Sprengel-Museum dauert das sieben Wochen. Dann ist die Skulptur „Sker“ des Künstlers Peter Lang fertig, eine „Cyber-Plastik“, inspiriert von den schroffen Felseninseln im Meer vor Island.

Die Schöpfung dieses Kunstwerks, einer Skulptur von sieben Metern Länge, zwei Metern Höhe und einem Gewicht von zweieinhalb Tonnen, ereignet sich live in der Einblickshalle des Museums. Nicht ganz rund um die Uhr, denn nachts wird die Alarmanlage scharf geschaltet, und dann muss Ruhe herrschen im Haus.

Denn die beiden Schöpfer machen ganz schön Krach, liefern aber reichlich Schauwert. Zwei Roboter, beide mit weiblichen Vornamen, arbeiten mit Hingabe an diesem Kunstwerk. Da ist erst mal „Iiwa“ (sprich Eiwa), eine sogenannte „Barmaid“. Sie war schon als einarmiger Cocktail-Roboter auf einem Kreuzfahrtschiff im Einsatz und mixte die Drinks. Hier mischt sie Holzgranulat und Farbpigmente aus einer großen Palette zusammen und macht daraus eine Art Paste, die an Roboter „Swathi“ weitergeleitet wird.

„Iiwa“ bedient sich dabei an einer Art „Farborgel“, die Behälter der einzelnen Zutaten ragen wie metallische Pfeifen in die Höhe – ein kurzer Stups, dann fallen die Zutaten im richtigen Mischverhältnis in eine Art hohle Hand, werden kurz geschüttelt, nicht gerührt, und zur Weiterverarbeitung in einen kleinen trichter gekippt.

Dann kommt „Swathi“ ins Spiel, ein gewaltiger, einarmiger 3-D-Drucker, der mit der Paste gefüttert wird und in ununterbrochener Bewegung zwei Millimeter hohe Linien von jeweils verschiedener Farbigkeit über einander legt, die schnell erstarren – was dann zu der hohen Skulptur wird. Bis zur Fertigung hat der Roboterarm gut 230 Kilometer zurückgelegt.

Und bevor diese Kunst entsteht, ist als Vorbedingung schon andere Kunst entstanden, nämlich eine Vorlage aus Zeichnungen von Peter Lang, die hier dreidimensional nachgebildet werden. Und damit wäre man erst beim eigentlichen Künstler. Lang ist Bildhauer und Maler, spezialisiert auf Zeichnungen, die in zivilisationsfernen Gegenden entstehen. „Mich fasziniert das Archaische, das Unberührte, das Ursprüngliche“ so Lang. Dafür hat der auch als Druckgrafiker tätige Künstler ein mobiles Künstleratelier entworfen, das in einem konventionellen Container untergebracht ist – aufklappbar mit Küche und Energieversorgung -, und das sich per Schiff und Lkw an die unwirtlichsten Orte bringen lässt.

Für „Sker“ (isländisch: Klippen) hat sich Peter Lang auf hohe See begeben, ist zwei Monate mit einem Kutter um Island herum geschippert und hat die eindrucksvollen Felsenformationen bei jedem Seegang in Zeichnungen festgehalten. Die Reiseeindrücke hat Lang dann in Deutschland in digitale Zeichnungen umgesetzt. Sich eine VR-Brille übergestülpt – der Pointer in der einen Hand war der Zeichenstift, der Pointer in der anderen Hand die Farbpalette – und dann im virtuellen Raum losgezeichnet.

Diese komplexe Art der Kunstherstellung, dieser komplexe Dreisatz von Analog-Digital-Analog, da dürfte man Sprengel-Direktor Reinhard Spieler recht geben, ist eine „Weltsensation“ – und gleichzeitig eine eindrucksvolle Werbung für den Industriestandort Deutschland. Denn geplant war diese Kunstaktion als eine Art Industriemesse-Visitenkarte der FIT Additive Manufacturing Group aus Lupburg ( liegt bei Regensburg), die ansonsten unter anderem Bauteile für Satelliten, für Formel-1-Renner oder Implantate herstellt. Und nun Kunst: „Das hat uns tatsächlich weitergebracht, wir sind an Grenzen gestoßen und haben sie überwunden“, so FIT-CEO Carl Fruth. Fünf Spezialisten hatten sechs Monate an dem „Sker“-Programm gearbeitet – da ist die Kunst im Sprengel-Museum schneller fertig.

Die komplette Skulptur mit ihrer fast textil anmutenden Oberfläche, von der schon Einzelteile zu sehen sind, die zur Probe gefertigt wurden, ist dann von Mitte September bis Mitte Oktober im Sprengel-Museum ( ohne Roboter) ausgestellt.

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