3D-Druck-gefertigte Skulptur aus Pigment-gefärbtem Holzkunststoff
Visionen haben nicht nur Künstler, sondern auch Auftraggeber, Nutzer und Fertiger. Garuda ist ein Zusammenspiel solch verschiedener Visionen. Neben der Vision des Auftraggebers, Nachhaltigkeit, CO2-Neutralität und Funktionalität (Schallabsorption) gepaart mit Ästhetik, steht die Vorstellung des Künstlers von Raum und Skulptur, vom Machbaren und von noch nicht Gemachtem. Dazu kommt die Vision des Fertigers, eine künstlerische einmalige Vorgabe zu digitalisieren und technisch umzusetzen.
Was daraus entsteht ist Innovation. Keiner kennt den Weg, nur die Richtung ist bestimmt. Wie bei einer Erstbesteigung müssen Probleme unmittelbar erfolgreich gelöst werden, um den Weg fortsetzen zu können. Ein Team unterschiedlicher Präferenz ist absolut aufeinander angewiesen. Jeder bringt sein Können ein und blickt kontrollierend auf die Taten des anderen, wohl wissend sie selbst nicht bewältigen zu können. Aus dem konstruktiven Misstrauen erschließt sich ein Weg.
Wie im Basislager einer Erstbesteigung werden im Sommer 2020 die ersten strategischen Entscheidungen getroffen: Arbeitstitel der Skulptur ist Stilles Orchester, was hauptsächlich auf die Funktion verweist. Der Künstler gibt den Weg vor, der Roboterarm soll ihm folgen und durch den Extruder, dem „speienden Kopf“ des Roboters, den Weg bedrucken. Der Roboter gleicht einem Lastenelefanten, der in unwegsamem Gelände einen genauen Pfad entlang schreitet, gelenkt über algorithmische Anweisung. Das Material – ein Holzkunststoff aus Holzfasern, natürlichen Polyestern und Lignin mit dem Zertifikat der Umweltverträglichkeit und der Fähigkeit im Extruder verarbeitet werden zu können – müsste taugen. Ein erstes Probestück wird gezeichnet, berechnet, gedruckt und gefärbt. Es gelingt. Der Auftraggeber stimmt zu.
Das große Ziel kann angegangen werden: Ein amorphes Gebilde, ca 6 m lang, 2,5 m breit und 90 cm hoch, das Gebilde eines wabenförmigen Skeletts, einem riesigen Hornissenneste ähnlich. Es entsteht die Kartografie des künstlerischen Gedankens, eine einfache Zeichung, Grafit auf weiß, Grafit auf Vlies. Der Künstler zeichnet mit den Gängelungen des Technikers 43 Zeichnungen im Originalformat, also 6m x 3m: Nicht mehr als 7 mm Unterschied der Linien von Zeichnung zu Zeichnung, gleiche Parameter, in kleinen 2 cm Schritten bis 90 cm.
Aus den exakt aufeinander abgestimmten Zeichnungen entsteht ein Schichtsystem. In ihm wachsen bis zu 1500 Röhren, sich sorgsam Platz schaffend, berührend, verkleinernd, vergrößernd, entstehend und vergehend.
Der Roboter braucht zum Drucken einen einmaligen Pfad durch die Horizontalschnitte der Skulptur, gleich einem Elefanten, der durch die künstlerische Vision geführt werden kann, ohne abzustürzen oder im Dschungel der Möglichkeiten verlorenzugehen. Ein indischer Ingenieur für automatische Fertigung ist hier der „Elefantenführer“. Er dirigiert den Roboter mit einem von ihm entwickelten Algorithmus über 60 km in jede kleinste Kurve ohne je einen Weg zweimal zu beschreiten. Die Form steht damit. Nun ist die farbliche Ausarbeitung die entscheidende Tätigkeit und Umsetzung der künstlerischen Gesamtvision. Peter Lang bestimmt die Farbe während des gesamten Druckprozesses und befüllt den Extruder mit dem von ihm gefärbten Granulat. Der Roboter wird zum Pinsel. In 26 Tagesetappen, täglich nach einer anstrengenden Analyse der Probleme des Tages nachjustiert, wächst die Skulptur: Ein knallharter Werksprozess, Lösungen ohne Wenn und Aber.
Das Objekt mit dem Arbeitstitel Stilles Orchester, Schall schluckend, CO2 neutral und vor allem schön, wird am Ende getauft auf einen visionären Titel aus der indischen Mythologie, und ist wohl mit Ikarus befreundet:
GARUDA
Über die Fertigung und Peter Lang berichtete Roland Biswurm im Kulturjournal BR2: Kunst für die Raumdecke
Im gleichen Zeitraum strahlte auch Capriccio einen Beitrag über Peter Lang aus: Ein Bayer in Patagonien
Fotos: Martin Hangen, Albert Klein