Kalte Nacht

Andrea Lamest, im Katalog PL – Arbeitshefte, Schwandorf 2017, ISBN 978-3-9818238-2-0

Die Malerei des Künstlers Peter Lang ist durch das Zusammenspiel von Form und Farbe definiert, anhand dieser Komponenten entsteht ein Bildraum. Die Landschaft.Im Laufe seines Schaffens entfernte sich der Künstler von dem figurativen Stil des klassischen Landschaftsbildes hin zur Abstraktion, ging auf Malreisen, widmete sich verstärkt sehr großformatigen Arbeiten und setzte Maßstäbe mit einer neu entwickelten Arbeitstechnik, die mittlerweile zu seinem Markenzeichen geworden ist.

Zunächst wird der Hintergrund des Bildes definiert, dabei bevorzugt der Künstler die altmeisterliche Malweise der selbsthergestellten Eitempera, die in der zeitgenössischen Malerei kaum noch präsent ist: Eigelb wird mit Leinöl und Wasser vermischt und fungiert somit als Bindemittel, anschließend werden die Pigmente hinzugefügt. Kennzeichnend für diese Malweise ist die Leuchtkraft der aufgetragenen Farben, die auch nach mehreren lasierten Schichten nicht verloren geht.

Nach Abschluss dieses Prozesses wird eine Schicht Leinöl aufgetragen, anschließend wird eine Schnur mit Farbe getränkt und auf die Leinwand gezupft. Diese Technik hat Peter Lang vor einigen Jahren für sich entdeckt, damit experimentiert und stets weiterentwickelt, um sie sich schließlich gänzlich anzueignen: Die Arbeit mit einer „Schlagschnur“, bekannt aus dem Maurer- und Zimmererhandwerk, zur Markierung gleicher Höhen über längere Strecken. Ein kleines Gehäuse, in dem sich eine lange Schnur befindet, wird mit Pigmenten gefüllt. Das Ende der Schnur wird an der Wand befestigt, diese spannt man auf gleicher Höhe – mit etwas Abstand – über das Bild und zieht sie von der Wand weg. Nach Loslassen federt die Schnur zurück und die Pigmente erscheinen als farbige „Spur“ des Fadens auf der Leinwand. Mit diesem Prinzip wird die Bildfläche mit einer Vielzahl von farbigen Linien überzogen. Anhand ihrer unterschiedlichen Verdichtungen und in Zusammenspiel mit der lasierten Hintergrundfläche, entsteht so eine Komposition, aus der sich Landschaft herausbildet. Farben und Flächen definieren Licht und Schatten, es entstehen Horizonte, unendlich scheinende Weiten, Wolken- und Felsformationen.

Standortwechsel ist ein Prinzip, welches Peter Lang als Künstler manifestiert hat. Davon zeugen seine zahlreichen Malreisen, die er für intensivste Arbeit nutzt, dabei Land und Leute kennenlernt und somit auch einer gewissen Unruhe Rechnung trägt. 2006 führte ihn das Austauschprogramm des Oberpfälzer Künstlerhauses nach Norwegen. Fasziniert von dem täglichen Naturschauspiel experimentierte er dort maßgeblich mit der Technik der Schlagschnur. Das Arbeiten in unberührter Natur gefiel – und um künftig von Residenzprogrammen unabhängig zu sein, zog Peter Lang die Konsequenz und ließ sich 2010 einen Überseecontainer als mobile Atelier- und Wohnstätte umbauen. Der Container lässt sich aufklappen und um Fläche erweitern, trotzt den härtesten Witterungsbedingungen, kann auch ohne fremde Hilfe aufgestellt werden und verfügt über eine autarke Energieversorgung und maximale Transportkompatibilität. Nach Fertigstellung des mobilen Ateliers folgten Malreisen nach Chile, Island und Österreich. Perfekte Arbeitsorte findet der Künstler in den entlegensten Gegenden, so manches Mal nach einer längeren Suche.

Das Prinzip , in unbekannten und menschenleeren Gegenden zu arbeiten, ohne sich in einer Art schwerelosem Raum zu befinden, sondern um einen verlässlichen Rahmen für die eigene Arbeit zu wissen, hat sich der Sache als dienlich erwiesen. Mobil zu sein und mit einer gewissen Erweiterung des Ichs den Raum besetzen, um ganz und gar in der neuen Umgebung zu leben, mit ihr zu arbeiten und Teil davon zu werden, entspricht der Intension des Künstlers und spiegelt sich in seinen Werken wider.

Elementar für all diese Arbeiten, die auf seinen Malreisen entstehen, ist das Licht, welches abhängt von den Spezifika der Landesgegend, Witterungsverhältnissen, den Jahres- und Tageszeiten. Die Orte selbst sind oft in Form von Bildtiteln manifestiert. Stets scheinen die Werke durch ihre Farbigkeit an eine bestimmte Stimmung anzuknüpfen oder diese abzurufen. Das zeitweilige persönliche Erlebnis – das Eintauchen in die Natur – ist eine komplexe Angelegenheit. Peter Lang schafft Werke als unmittelbare Abbilder und Momentaufnahmen seiner Naturerlebnisse.Zugleich entstehen neue Bildräume, welche sich für den Betrachter erschließen: Je länger man ein Werk anschaut, desto wundersamere Landschaften offenbaren sich. Die Kombination von Linien und Farben erklingen wie ein Echo, das Bild beginnt zu flirren und sich zu bewegen. Durch die Größe der Arbeiten wird der Eindruck hevorgehoben, selbst ein Teil dieser Landschaft zu sein.

Die Handhabung der Linie als prägnantes Element seiner Arbeit schlägt sich auch in den Skulpturen und Installationen des Künstlers nieder und kennzeichnet seine minimalistische Herangehensweise. Ein spezifischer Umgang mit Anordnung und Schichtung der einzelnen Elemente zieht sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Werk. In neueren Skulpturen wie „Wohnhöhle“ und „Fjörulalle“ mutiert ein Verpackungs- und Abfallprodukt, was zur Herstellung von Flightcases verwendet wird, zu organischen Objekten, die in gewisser Hinsicht auch an Reptilien erinnern. Im Innern bestehen sie aus einem Gerippe aus Holz, welches die „Haut“ trägt und für die Stabilität des Gesamtkonstrukts unerlässlich ist. Die unbekannten, archaisch anmutenden Wesen sind groß und robust, und sie gleichen in Form und Farbe urigen Felsformationen. Man kann sich hinsetzen, darauf verweilen – und die Landschaft betrachten.

Andrea Lamest

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