Ausstellung
Auf Island entstandenen Landschaftsmalereien von Peter Lang im Reutlinger Kunstverein
Von Armin Knauer, Reutlinger General Anzeiger vom 7.4.2014
Groß sind sie, teils riesig, die Arbeiten von Peter Lang. Landschaftsbilder, die selbst Raum greifen, zur Farblandschaft werden. Bilder, in denen der Blick nicht wandert wie in einem Alpenpanorama, sondern sich verliert, ins Unendliche. Wir sind im Norden, auf Island, und immer ist da diese Fluchtlinie ins Nichts. Hinaus aufs Meer, auf die Gletscherflächen, bleich, im Zwielicht der Polarregion, als gleite das alles hinüber in etwas anderes. Bis Juni sind Langs Arbeiten im Kunstverein zu sehen, gestern war die Eröffnung.
Bei Peter Lang gleitet die Landschaft hinüber ins Abstrakte. Hier und da sieht man noch Anklänge an Fassbares, eine Klippe, eine Wolke, aber das löst sich auf im Übermaß des Raums, in der Endlosigkeit des Himmels. So ist denn auf den nächsten Bildern folgerichtig alles Konkrete verschwunden, ist nur noch dieses im Übermaß präsente übrig geblieben: die Leere, die Weite, das Zwielicht.
Vervielfältigter Horizont
Und der Horizont. Wo sonst kein Haltepunkt mehr ist, da wird der Horizont übermächtig. Peter Lang vermehrt ihn, vervielfacht ihn, bis er den Bildaufbau von der Unterkante bis zur Oberkante beherrscht. Das ganze Motiv aus zeilenartigen Horizontlinien aufgebaut – das ist sein Bildgestaltungsprinzip.
Die Technik, mit der er das erreicht, ist kurios. Er spannt in dichtem Abstand dünne Schnüre in einen riesigen Aluminiumrahmen, legt alles über die Leinwand und lässt die mit Farbpigment eingeriebenen Schnüre auf den noch feucht grundierten Bildgrund schnellen. Das nicht etwa zu Hause in seinem Atelier, sondern vor Ort, dort, wo er die Landschaft einsaugt, das Licht, die Luft – in diesem Fall also: in der Einöde Islands.
Bei Peter Lang wird die Plein-Air-Malerei zur Abenteuer-Expedition. Von einer Firma im oberpfälzischen Gleißenberg, wo er wohnt, hat er sich ein transportables Malstudio in einen genormten Industriecontainer bauen lassen. Mit jedem Frachtschiff lässt sich der Container in jeden Frachthafen der Welt befördern – und von dort mit dem Sattelschlepper ins Inland. Er stand schon in entlegenen Gegenden Südamerikas, 2012/13 nun auf einem Grasplateau auf Island.
Fast ein Jahr hat Lang dort gelebt, mit Meer- und Gletscherblick. Hat seine Familie zurückgelassen, ist in das bleiche nordische Zwielicht eingetaucht, in die Düsternis des nordischen Winters, in die übermächtige Weite. Hat sich mit den Fischern angefreundet, so sehr, dass sie am Ende sein Material aufs Containerschiff schafften, damit er noch ein paar Stunden mehr zum Arbeiten an seinen Bildern übrig hatte. Den Isländern, sagt Kunstvereins-Leiter Christian Malycha, hätten gerade die fast komplett „ausgebleichten“ Bilder mit ihrer Auflösung ins Nichts am besten gefallen. „Jetzt hast du uns verstanden“, hätten sie gesagt, als sie diese Bilder sahen.
Tuschezeichnungen als Kontrast
Die Ausstellung stellt diesen abstrakten Landschaften Tuschezeichnungen gegenüber, in denen die Landschaft auf andere, schroffere, greifbarere Weise gefasst ist. Im hinteren Bereich ist noch eine Serie mit älteren Radierungen aus dem Alpenraum zu sehen. Hier ist die Landschaft noch viel stärker als Abbild präsent; man sieht, wo Lang herkommt.
Am stärksten faszinieren aber seine großen Malereien aus Island, teilweise zwei Meter hoch und fünfeinhalb Meter breit – so passten sie eben noch in den Container zum Rücktransport. Faszinierend sind sie, weil sie in jeder Hinsicht oszillieren. Sie scheinen einerseits nur Licht und Atmosphäre zu sein – und insofern die radikale Konsequenz aus der Plein-Air-Malerei der Impressionisten. Andererseits scheinen sie aber wieder nur rein Farbe und Form zu sein durch ihre Gliederung in serielle Bildzeilen – im Grunde konkrete Kunst. Auch die Op-Art spielt hinein, indem die dichte Zeilenstruktur vor den Augen flirrt.
Letztlich treten solche formalen Überlegungen in der Ausstellung jedoch zurück. Was hier dominiert, ist der geradezu körperliche Eindruck des Sich-Verlierens in der Tiefe und Weite des Bildraums. Man taucht in gemalte Welten ein und gewinnt dabei Kontakt zu einer realen Welt: zu Licht und Luft im nordischen Zwielicht – zu Island.
Die Ausstellung „Weißschäumende Welle, kohlschwarzer Fels“ mit Arbeiten von Peter Lang ist bis 8. Juni im Kunstverein Reutlingen, Eberhardstraße 14, zu sehen, Mittwoch bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertag 11 bis 17 Uhr.