Mgr. Marcel Fišer, Ph.D., im Katalog Peter Lang – Werke / Obrazy, Klatovy 2010 ISBN 978-80-87013-27-4
Gleißenberg liegt ganz am Rand der Oberpfalz, Böhmen ist nur einen Steinwurf weit entfernt. Ein typisch bayerisches Dorf mit Kirche mitten drin, eingepasst in die hügelige waldige Landschaft am bayerischen Hang des ˇCerchov, des höchsten Berges des Böhmischen (Oberpfälzer) Walds. An seinem Rand steht jedoch ein Haus, das auf den ersten Blick der üblichen Bebauung eines Bayerischen Dorfes nicht entspricht. Diese respektiert es zwar durch sein Satteldach, jedoch hat es anstelle von Mauern gräulich durchscheinende Polycarbonatplatten, unter denen sich die Tragwerkskonstruktion abzeichnet. Einen noch weniger gewohnten Eindruck ruft der Aufenthalt im Innern hervor: Das ganze Haus ist nämlich von einem gestreuten Licht erfüllt. Das ist nicht verwunderlich, denn es handelt sich um das Haus eines Malers. Für Peter Lang und seine große Familie wurde es von seinem Schulfreund vom Gymnasium Bad Tölz, dem Architekten Florian Nagler, entworfen und das Haus gehörte sofort nach seinem Entstehen zu den interessantesten und wiederholt zitierten Bauten der zeitgenössischen deutschen Architektur. Seine Disposition ist genau den Bedürfnissen seiner Bewohner angepasst. Den ganzen Bereich unter dem Dach nimmt ein Raum mit einem großen Fenster ein, aus dem sich ein herrlicher Ausblick auf den Böhmerwald eröffnet; hier hat Peter Lang sein Atelier. Das Wohngeschoss wird dominiert von dem zentralen Raum des Esszimmers mit einem großen Tisch und zwei Bänken und einer daran anschließenden modernen Küche – einem Ort der intensiven gegenseitigen Kommunikation und des guten Essens, was Werte sind, zu denen man sich hier bekennt und die sich gegenseitig ergänzen und potenzieren. An der Peripherie des Grundrisses liegen dann kleinere Räume, wo jeder allein sein kann. Es ist ziemlich ungewöhnlich, einen Text über einen Künstler in seiner Monografie mit der Beschreibung seines Hauses zu beginnen, aber im Fall von Peter Lang hat das seinen Sinn. Schon allein deshalb, weil er dank seinem Wohnort unweit der Grenze intensive Beziehungen mit dem tschechischen Milieu anknüpfte, aus denen sich schließlich ganz natürlich die Ausstellung ergab, zu der dieses Buch erscheinen soll. Aber es gibt auch weitere, tiefere Gründe, die uns so manches vom Wesen seiner Persönlichkeit und seiner Kunst beleuchten werden. Das verlangt allerdings nach einer ausführlicheren Erklärung.
Nach Gleißenberg ist die Familie Lang im Jahr 2001 gezogen, vorher lebten sie in Miesbach, einem Städtchen vor den Alpen etwa 50 Kilometer südlich von München, also in der Gegend, wo Peter Lang geboren wurde. Für den Maler war das eine schwerwiegende und in bedeutendem Maße auch riskante Entscheidung. Es gibt Künstler, die sich sehr früh noch während des Studiums oder kurz danach durchsetzen, aber daneben gibt es auch solche, deren Weg zu einem eigenen individuellen Stil etwas länger und komplizierter ist. Peter Lang ist ein typischer Vertreter dieser zweiten Kategorie. Es dauerte ihm einige Jahre, bis er sich von seinen in vielem noch traditionell gefühlten Landschaften zu einem Ausdruck an der Grenze des monochromen Bildes durcharbeitete. Es handelte sich nicht um die schnelle, mechanische Übernahme einer stilistischen Formel, sondern um einen langen Weg, auf dem er die Gegenständlichkeit zugunsten des Ausdrucks reduzierte und fallen ließ. Die klassische Landschaftsmalerei hat er dabei jedoch niemals vollständig verlassen. Von Zeit zu Zeit kehrt er zu ihr zurück wie zu einer Art Anker, der ihn auf dem weiten Ozean der heutigen Kunst mit dem festen Grund verbindet, mit den Grundlagen und Ausgangspunkten seines Schaffens …
Gerade der Zeitabschnitt, als es zu seinem Umzug nach Gleißenberg kam, war für ihn in vielerlei Hinsicht bestimmend. Damals kristallisierte sich allmählich sein persönlicher Ausdruck heraus und Hand in Hand damit kamen die ersten Erfolge. Und der Erfolg misst sich in der Kunst vor allem an den Verkäufen und den Ausstellungen, so dass es für einen Künstler fast unumgänglich ist, mit der Galeristen und Museumskuratoren, mit dieser ganzen künstlerischen Infrastruktur, die nun mal an die großen Zentren gebunden ist, in unmittelbarem Kontakt zu stehen. Das ist eine erprobte Strategie, die zum Erfolg führt. Peter Lang machte damals jedoch genau das Gegenteil, scheinbar gegen den gesunden Menschenverstand.
Die Gründe, die ihn dazu führten, sagen auch etwas über den Kontext und den Betrieb der zeitgenössischen Kunst, in der er sich mit seiner Kunst durchsetzte. Seine Arbeit reiht sich ein in den breiten Strom der nicht abbildenden Kunst, deren Anfänge in die Zeit um das Jahr 1900 reichen, als unabhängig voneinander einige Künstler zu einem Bild gelangten, das nicht mehr auf der Abbildung realer Gegenstände beruhte, sondern einzig und allein auf der Wirkung von Farben und Formen. Zwischen den beiden Weltkriegen wurde die Abstraktion zu einer der wichtigsten Ausdrucksweisen der internationalen Kunstszene, die damals noch in Paris konzentriert war, um sie in den fünfziger und sechziger Jahren, als sich das Zentrum des Geschehens in die USA verschoben hatte, völlig zu beherrschen. Die fünfziger und sechziger Jahre standen im Zeichen von abstraktem Expressionismus, Tachismus, Op-Art, Minimalismus oder von Konkreter Kunst, jedoch wie es in der Kunst der Fall ist, ruft jede Aktion nach einer gewissen Zeit eine die entsprechende Reaktion hervor. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts waren die nicht abbildenden Tendenzen von anderen aktuellen Ausdrucksweisen überlagert, doch sind sie in der gegenwärtigen pluralistischen Situation eine der legitimen Positionen des künstlerischen Ausdrucks, die ihre eigenen Galerien, Sammler und Spezialmuseen hat. Heute handelt es sich jedoch nicht mehr um irgendeine kompakte Bewegung oder Richtung, sie wird nur von solitären Künstlern repräsentiert, die es verstehen, aus einer relativ erschöpften Lagerstätte durch irgendeine neue, originelle Methode noch reines Metall herauszulaugen, wie das gerade Peter Lang gelungen ist. Dieser allgemeinen Situation entspricht auch die Tatsache, dass die geometrischen Tendenzen heutzutage nicht auf irgendein Zentrum konzentriert sind; ein solches ist auch München nicht, wo Lang die Kunstakademie absolvierte und auf welches hin er sich nach aller Logik orientieren sollte, existieren hier doch auch private und öffentliche Galerien, die diese Art des Ausdrucks systematisch präsentieren. Aber Peter Lang stellt heutzutage in ganz Deutschland und im Ausland aus und arbeitet mehr oder weniger systematisch gleich mit mehreren Galerien zusammen (momentan sind das vor allem Hubertus Melsheimer Kunsthandel in Köln, die Galerie Florian Trampler in München, die Galerie Gärtner GmbH mit Sitz in Berlin, die Galerie holzhauer hamburg oder die Galerie pascal janssens im belgischen Gent), die ihn in ihren Räumen und auf internationalen Messen präsentieren. Mobilität ist heute Voraussetzung und auch Symbol des globalen Erfolgs: so eine übernationale Zelebrität hat Ateliers in Berlin und New York, eine Galerie in Zürich, eine Professur in London … Peter Lang ist jedoch ein anderer Fall. Auch er verbringt viel Zeit auf Reisen zu Ausstellungen und Messen und ich glaube, dass er das nicht nur als ein notwendiges Opfer für seinen Beruf betrachtet, sondern dass ihm das durchaus Spaß macht. In einem gewissen Sinn ist er sogar die Verkörperung eines Professionellen der heutigen Zeit. Auf der anderen Seite jedoch braucht er für seine Arbeit auch den anderen Pol – also ein stabiles Hinterland für konzentrierte Arbeit als Gegengewicht zu der Dynamik und gewissen Oberflächlichkeit des Kunstbetriebs, ja direkt eine Verankerung an einem konkreten Ort, in einer bestimmten Landschaft. Solche Bedingungen schuf ihm nun gerade sein Haus. Dessen strenge, sozusagen erhabene Ästhetik verlieh seinem Schaffen Selbstbewusstsein und Großzügigkeit. Und zwar nicht nur in dem Sinne, dass er hier zu größeren Formaten auflaufen konnte,1 sondern es verlieh ihm auch den Mut zur Reduktion der bildnerischen Sprache auf ihren eigentlichen Kern. Als würde es ihm wortwörtlich sagen: ‚hab keine Angst, eine so große Ausnahme zu sein, wie ich es bin’, aber auch: ‚deine Originalität darf nicht selbstzweckhaft sein, sie muss eine innere logische Begründung haben. Ein nach außen interessanter Ausdruck ist wichtig, aber allein an sich reicht er nicht. Ein Bild muss, ebenso wie ein Haus, solide Fundamente und eine feste Konstruktion haben, hinter ihm muss auch qualitätvolles Handwerk stehen.’ Peter Lang hat damals seinem Haus sehr aufmerksam zugehört…
Doch nehmen wir das noch mal schön der Reihe nach, wie sich das für einen Text in einer Monographie gehört. Peter Lang wurde in Holzkirchen im Vorland der bayerischen Alpen geboren. Sein Vater war Schriftsetzer und die Besuche in der Druckerei mit ihrer spezifischen Atmosphäre gehörten zu den wichtigen Erlebnissen seiner Kindheit. Eben hierher stammt seine lebenslange Vorliebe für die Druckerkunst, aber auch ein gewisser Hang zum Methodischen, der mit der Grafik verbunden ist und der seine Herangehensweise an die Kunst ganz allgemein charakterisiert. Für die Laufbahn eines Malers entschied er sich schon sehr früh, als er etwa vierzehn Jahre alt war. Ein wichtiger Zwischenschritt war der Wechsel an das Gymnasium in Bad Tölz. Dort fand ein Leistungskurs Kunst statt und Kunst war somit auch Abiturfach. Im Übrigen befasst sich mit diesem Lebensabschnitt ausführlicher der Text seines damaligen Lehrers Max Weihrauch nur wenige Seiten weiter. Gerade die Toleranz und das Entgegenkommen dieses Pädagogen sagten Peter Lang absolut zu. Die Schule vernachlässigte er damals ziemlich, dafür arbeitete er außerhalb der Schule sehr intensiv und gewissenhaft. Häufig fuhr er beispielsweise schon früh am Morgen nach München, wo er in der Morgenspitze während des Gehens Passanten zeichnete und so die unmittelbare zeichnerische Notierung in der Bewegung einübte. Bis zum Mittag schlief er dann und nachmittags arbeitete er in seinem ersten Atelier, das er sich mit siebzehn Jahren in einem ehemaligen Hühnerstall eingerichtet hatte. Als Facharbeit zu seinem Abitur erarbeitete er dann den Entwurf eines Wandbildes zu einem Sportthema für das Eisstadion in Bad Tölz, das von seinen Schwarz-Weiß-Holzschnitten ausging – übrigens war der figurative, im Geist der expressiven Tradition verstandene Holzschnitt damals neben der Landschaftsmalerei die wesentliche Position seiner Arbeit. Und was kann man sich mehr wünschen, die 63 Meter lange Szene gelang es schließlich auch zur Realisierung zu bringen. Der Anfang seiner künstlerischen Karriere begann für ihn wahrhaft großartig!
Im Jahr 1987 meldete er sich dann an der Münchener Kunstakademie direkt für die Klasse von Rudolf Tröger an. Bei Tröger studierte er dann bis zum Ende dessen pädagogischer Laufbahn im Jahr 1992; das letzte Studienjahr absolvierte er dann bei Jerry Zeniuk. Obwohl Tröger, dessen figurative Stimmungsbilder noch in der klassischen Moderne verankert sind, nicht zu den Künstlern gehörte, die ihre Schüler in den aktuellen internationalen Diskurs hätten einführen können, konvenierte er Lang durch seine Herangehensweise und durch sein Werk als solches. Es ist wohl kein Zufall, dass er sich dann eine ähnliche Position in der Künstlerszene wählte, die auf Distanz zur momentanen Aktualität und auf Treue zu bestimmten klassischen Prinzipien gegründet ist, auf die Überzeugung, dass sich diese auf irgendeine interessante Weise aktualisieren lassen.
Während des Studiums an der Akademie befasste sich Peter Lang vor allem mit Landschaftsmalerei. Wie beispielsweise das früheste in diesem Buch reproduzierte Bild, das kleine Temperagemälde Stadl am Vogelherd (1981), das er mit sechzehn Jahren geschaffen hatte, deutlich zeigt, hatte er auch schon vor dem Akademiebesuch ein sehr solides handwerkliches Fundament. Und nicht nur das: Dieses Bild deutet bereits den grundlegenden Rahmen an, in dem er sich auch weiterhin bewegen wird, in einem gewissen Sinn sogar bis heute, zumindest dann, wenn er von Zeit zu Zeit zur Pleinairmalerei zurückkehrt. Überwiegend wählt er eine Perspektive mit dem Blickpunkt tief unter dem Horizont, wie das in dem erwähnten frühen Bild der Fall ist. Der Himmel fehlt entweder ganz, oder er nimmt nur einen schmalen Streifen am oberen Rand des Bildes ein. Ein beliebtes Thema sind Innenansichten von Wald, die typische Szenerie ist jedoch der Blick über freie Flächen von Feldern und Wiesen, der am Horizont durch einen Streifen Wald aufgehalten wir. Erst über ihm oder in der Durchsicht zwischen zwei Waldstreifen erscheint der schwere Himmel, aber auch der hat einen ähnlich materiellen Charakter wie der Rest des Bildes. Lang arbeitet nicht mit dem Kontrast zwischen der natürlichen Schwere der festen Materie der Erde und der leichten Durchsichtigkeit des Himmels, er verwendet nicht die luftige Atmosphäre, die die Landschaft in verschiedene Ebenen gliedert. Das ganze Bild ist gleichmäßig mit dichter Malerei bedeckt, jeder Quadratzentimeter ist mit einer schwungvollen Handschrift ausgemalt, ohne dass dieser materielle Charakter in pastose Aufträge übergeht. In einigen Zeiträumen wird die Malerei durch feine parallele Linien verschiedener Farben strukturiert und gleichsam noch mehr verdichtet (Waldrand, 1989; Wiesen am Morgen, 1993), die dann gegenseitig optische Effekte zum Spielen bringen. Diese Weise der Arbeit mit der Farbe und dem Pinselduktus machen die ganze Komposition zu etwas Einheitlichem, was der Künstler bei einigen späteren Rückgriffen auf die Landschaft noch durch einen einheitlichen Farbton, in dem das ganze Bild gehalten ist, betonte. Und gerade dieser „all over“-Charakter (um uns hier metaphorisch mit einem Terminus aus dem abstrakten Expressionismus zu behelfen, der bedeutet, dass die gesamte Fläche der Leinwand mit einer relativ zusammenhängenden Textur von Malerei bedeckt ist), also der alles beherrschende Blick des Malers, der die natürliche Vielfältigkeit der Welt in Einheit und Harmonie des Bildes überführt, ist ein bestimmter Charakterzug von Langs Schaffen: Er zeigt sich in so verschiedenen Positionen seines Schaffens, wie den klassischen Landschaftsbildern, den späteren geometrischen Abstraktionen oder den Linienlandschaften der bisher letzten Phase seines Schaffens.
In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre hat sich der Charakter von Langs Bildern sehr rasant verändert. Wir können das im Rahmen der umfangreichen Bildergruppe verfolgen, die er Serie 75 nennt, weil sie alle eine Höhe von 75 cm haben, während ihre Breite variiert. Einige von ihnen lassen sich immer noch als Landschaften wahrnehmen, beziehungsweise als abstrahierte Landschaftszeichen. Zum Beispiel Variation in Gelb (1998) ließe sich beschreiben als eine enge, durch zwei gelbe Felder begrenzte Durchsicht in einen offenen Raum, der dank seiner horizontalen Gliederung tatsächlich an eine Landschaft erinnert. Aber die Dominanz der beiden äußeren gelben Felder deutet schon an, dass es hier bereits vor allem um die Farbe und ihre Ausstrahlung geht, um die Grenzen der Flächen und die Übergänge zwischen ihnen, also um die Problematik, die er später in seinen geometrischen Drucken entfaltet. Ähnlich evoziert auf dem Bild Roter Berg (1999) der schmale waagerechte Streifen einen Horizont und auf eine Landschaft verweist auch schon der Titel. Aber erneut sind hier viel wichtiger als der Inhalt die formalen Qualitäten, die Wirkung der reinen Farbe, die wieder einen ausgesprochen materiellen Charakter hat. Es ist durchaus kein Zufall, dass der Maler seine Bilder manchmal nach den Pigmenten benennt, also nach jener materiellen Substanz der Farbe. Hier kann man daran erinnern, dass diese Ehre auch seinem Lieblingspigment zuteil wurde, der Böhmisch Grünen Erde, einer Tonerde, die in der Umgebung von Kadaň /Kaaden gefördert wird und die einst groß in Mode war und beispielsweise auch für Fassaden von ländlichen Bauten gebraucht wurde, später aber völlig der Vergessenheit anheim fiel und heute verhältnismäßig selten und teuer ist (Böhmisch grüne Erde, 1999). Die Farbe ist für ihn nicht eine abstrakte Entität, nicht eine unsichtbare Wellenbewegung, die in unserem Hirn bestimmte chemische Reaktionen in Gang setzt, sondern vor allem eine Materie, mit der er voller Wollust arbeitet, wodurch er an die alten Meister erinnert, für die die Kenntnis der Zubereitung der Farben, jene Alchimie der Maler, ein nicht weniger wichtiger Teil ihrer Kunst war als das Malen selbst. In dieser Serie finden wir jedoch auch schon Bilder, in denen wir keine direkten Verweise auf die Realität mehr finden. Es sind großzügige Kompositionen geometrisch angeordneter Felder, in denen kleinere Details oder andere die Fläche gliedernden Motive völlig verschwunden sind (Nr. 57, 2000). Hierher gehört auch die Bilderserie aus Aragon, wo Peter Lang im Januar und Februar 2000 den ersten seiner längeren Maleraufenthalte absolvierte. Über diese Landschaft, verdorrt, gebirgig und ungastlich, schrieb er dann im Nachhinein: „Man gerät zwangsläufig in einen Farbrausch. Ich habe von früh bis abends gemalt: Irre Himmel, irre Horizonte, Landschaften, trist, rau und sehr herb. In meinen Arbeiten gehe ich vollkommen weg vom Erzählerischen, hin zum ‚wirklichen Klang’.“2
Aus dieser Äußerung ist klar ersichtlich, dass auch in den scheinbar absolut nichts abbildenden Kompositionen weiterhin der Ausgangspunkt in der Landschaft gegenwärtig ist, auch wenn der Betrachter dort nicht imstande ist, ihn zu erkennen. Mit anderen Worten, dass es sich hier um abstrakte Bilder im eigentlichen Sinn des Wortes handelt, also um Bilder, die auf Abstrahierung beruhen, auf der Abscheidung des Unwesentlichen, auf der Transformation eines komplexen Erlebnisses zu einer bildlichen Paraphrase, die zum einen auf der Reduktion der Formen, aber auch auf der Potenzierung bestimmter farblicher Zusammenklänge beruht.
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch in der Technik des Holzschnitts verfolgen, mit dem sich Lang in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre zu befassen begann. In dieser Periode stellte er aus ihnen nacheinander auch vier Wandkalender zusammen, im Grunde genommen eine Variante des klassischen grafischen Albums, und zwar für die Jahre 1995, 1999, 2000 und 2001. (Datiert sind sie selbstverständlich immer um ein Jahr früher; der erste von ihnen hat noch die zugehörigen Texte mit den Monatsnamen und den Datumszahlen unter den Bildern, in den weiteren sind bedruckte Zwischenblätter eingelegt, deren Textstreifen unten über das Format des grafischen Blatts hinausragt.) Der erste von ihnen mit dem Titel Landschaft reiht sich noch in die Tradition des expressiven schwarzweißen Holzschnitts ein. Und obwohl wir das Landschaftsmotiv manchmal in den dynamischen Formen nicht sofort erkennen, ist es hier immer gegenwärtig und geht es hier im Wesen um eine realistische Szenerie. Die weiteren drei Zyklen haben schon einen anderen Charakter, sie zeigen sein dauerhaftes Hinsteuern auf die Abstraktion. Lang kombiniert hier eine amorphe Formenwelt mit einer geometrischen, allerdings handelt es sich nicht um eine strikte Geometrie, alles ist hier „von Hand“. Den grundlegenden Ausdruck trägt hier jedoch bereits die Farbe, die er in großen Flächen ausklingen lässt.
Den letzten der „Kalender“zyklen stellte er zum Ende des Jahres 2000 in der Galerie Kunstgang in Bad Tölz aus, gemeinsam mit einer Serie in ähnlichem Geist, die jedoch das expressiv übersteigerte Format 212 x 90 cm besitzt. Es handelt sich um den ersten Aufbruch zu den großen Drucken unter Beibehaltung einer relativ hohen Auflage von 14 Stück einer jeden Grafik (zum Vergleich: den Monatszyklus im Format 48 x 64 cm druckte er in einer Auflage von 140 Stück). Eine identische Gestalt aller Drucke in einem derart großen Maßstab einzuhalten, stellte eine technisch anspruchsvolle und höchst konzentrierte Leistung dar, wobei der Künstler nicht ohne Gehilfen auskam. Er löste das auf eine wirklich salomonische Weise: Derjenige, der ihm seine Zeit und seine Anstrengung widmete, wurde damit belohnt, dass die betreffende Arbeit nach ihm benannt wurde. Zugleich löste er hier ein Problem, das für ihn mit dem Übergang zu reinen nicht abbildenden Formen auftrat, nämlich wie er seine Werke, die kein reales Vor-Bild mehr haben, weiterhin benennen sollte. Der Titel eines Bildes ist immer die erste Interpretation und eine Anleitung zum Lesen. Auch in dem Fall, wo er lediglich den Charakter einer identifizierenden Bezeichnung hat, ist er– im Unterschied zu dem obligaten „ohne Titel“ – ein nützliches Hilfsmittel. Oft versehen Maler ihre Bilder nur mit Nummern, was die rationale Vorstellung unterstreichen kann, die sich hinter Zahlen verbirgt, und gleichzeitig deutet es die fortschreitende Entwicklung des Werks des Künstlers an. Auch Peter Lang wählt manchmal diese Lösung, häufiger jedoch gibt er seinen Bildern konkrete Namen, und zwar auf der Grundlage eines im Voraus bestimmten Schemas. Zum Teil gilt das schon für die Serie der Kalender, wo der abstrakte Inhalt nur sehr lose Assoziationen mit dem Charakter des betreffenden Monats zulässt und der Titel also eher die Reihenfolge in dem zwölfteiligen Zyklus bestimmt, also wieder durch Zufall. Auch im Fall der Vornamen ist der Titel de facto zufällig, er verweist höchstens auf den technischen Prozess und keineswegs auf den Inhalt des Werks als solchen, was allerdings hinsichtlich des Charakters der Arbeit seinen Sinn hat. Das gleiche Prinzip behielt er auch in dem nachfolgenden Zyklus aus Bildern mit geometrischen Formen bei, wo er jedoch die Technologie des Druckens so weit verbessert hatte, dass er keine Gehilfen mehr brauchte und die Dedikationen so jener pragmatischen Dimension verlustig gingen. Eine weitere Lösung, die er dann auch wiederholt wählt, ist die Verwendung von Titeln nach den gewählten Farben, wie das bereits oben erwähnt wurde. Im Verlauf der Zeit kristallisierte sich eine beschränkte Skala einiger grundlegenden und für ihn charakteristischen Nuancen von Schwarz, Gelb und Rot heraus, weniger häufig auch von Blau, die meistens in der Kombination von zwei intensiven Farbtönen in einem Bild verwendet werden, was sich dann auch im Titel niederschlägt (Rot & rot, 2002).
Die Beherrschung des großformatigen Drucks ermöglichte ihm dann eine weitere wichtige Innovation, und zwar den Druck auf Leinwand. Es geht hier nicht nur technische Änderung, sondern um eine komplexe qualitative Wandlung des Statuts des Werkes, den die andere Unterlage mit sich bringt. Eine Arbeit auf Papier ist immer abhängig von einer weiteren Adjustierung, vom Rahmen und vom Glas, gegebenenfalls auch noch vom Passepartout, die seine Fragilität schützen, seine Weichheit festigen und ihm zugleich den Charakter eines Gegenstands verleihen. Papier als solches ist meistens kein Artefakt, ein solcher wird es erst im Buch, im grafischen Album oder eben gerade durch die Adjustierung, während es allein ein zweidimensionales und fast immaterielles Medium bleibt. Das Gemälde hat dagegen bei all seiner Flächigkeit schon von Anfang an diese dritte Dimension, ebenso wie sein Gewicht und seine Gewichtigkeit, das Selbstbewusstsein eines autonomen künstlerischen Artefakts. Es geht um subtile, aber in ihren Konsequenzen sehr erhebliche Unterschiede. Eine formale Lösung, die in der Zergliederung des Bildes in mehrere rechteckige Felder besteht, ist nämlich an sich nichts Umwälzendes und es ließen sich sofort eine Reihe von Künstlern finden, die in diesem Geist gearbeitet haben, auch wenn ein jeder von ihnen das grundlegende Schema um eigene Nuancen bereichert. Allerdings stellt das Prinzip des Drucks in einem solchen Maß eine neue Dimension dar, dass wir ihn als Langs originellen Beitrag zur Geschichte der Konkreten Kunst ansehen können.3 Der Druck ist hier nicht nur eine andere Technologie, ein Ersatz für die Malerei. Er gewinnt die Bedeutung eines gedanklichen Konzepts, das es ihm ermöglicht etwas sehr Wesentliches zu erreichen, nämlich eine unpersönliche Artikulation dort, wo sie wichtig ist und in Übereinstimmung mit seinem Ziel steht. Und dieses Ziel besteht darin, den Farben zu ermöglichen, dass sie ihre Leuchtkraft voll offenbaren. Die Handschrift und die Spuren des Pinsels wären hier logischerweise etwas Überflüssiges, dem Künstler ging es aber trotzdem darum, dass die Oberfläche seiner Drucke nicht künstlich und steril wirkte wie bei einem Industriedruck. Sie wird durch kleine Unregelmäßigkeiten in der Sattheit der aufgetragenen Farbe belebt und auch die Linien sind nicht absolut gerade, als wären sie mit einem Laser geschnitten, trotzdem ist es für den Künstler andererseits wichtig, dass die Flächen möglichst genau aneinander anschließen und dass es so zwischen ihnen nicht zu einem Überdrucken kommt (für jede Farbe wählt der Künstler eine andere Druckplatte). In selteneren Fällen (Emma I, II, 2005) lässt er sogar die Struktur des Holzes aufklingen, die sich auf dem Bild abgedruckt hat. Der Druck auf Leinwand ermöglichte Lang eine weitere Vergrößerung des Formats, die er durch die Zusammenstellung von Kompositionen aus mehreren Teilen erreichte, meistens von drei oder sechs (Benno I – VI, 2003). Daneben beschäftigte er sich mit der gleichen Thematik weiterhin auch in kleinerem Maßstab auf Papier. So entstanden schließlich fünf Alben mit dem Titel Topos Grafie (2005), dem sich ausführlich Jiří Valoch in seinem Text in diesem Katalog widmet.
Parallel zu diesen streng geometrischen Motiven kehrt er gelegentlich zu völlig traditionellen Pleinair-Landschaften zurück (Abendhimmel, 2003, Winterlandschaft, 2003, später im Jahr 2008 zum Beispiel mehrere Bilder im Rahmen eines tschechisch-deutschen Malersymposiums in Außergefild /Kvilda), das Bilderpaar 1 Langes Grau und 2 Kleines Grau aus dem Jahr 2004 erinnert wiederum an die weich gemalten geometrischen Kompositionen aus dem Jahr 2000. Diese Erscheinung ist kein Zufall und wir können sie verallgemeinern: Im Werk von Peter Lang folgen die einzelnen Perioden nicht streng nacheinander, es gilt nicht, dass dort, wo die eine abgeschlossen wird, eine andere anfängt. Im Gegenteil, Rückgriffe und Retrospektiven spielen hier eine wichtige Rolle. Wenn ihn eine Arbeitsweise auf Zeit saturiert hat, geht er ohne Bedenken zu einer anderen über, in der er dort anknüpft, wo er vor einigen Jahren aufgehört hat. Aber die Verallgemeinerung kann noch tiefer gehen: Es ist, als ob jeder neue formale Stil die Erfahrung der vorangegangenen in sich birgt. Das Ganze eines Werks entsteht langsam, aber konsequent wie eine Koralle, wo die neuen Schichten auf den älteren wachsen und ihre Gestalt folglich von diesen bedingt wird.
Auch seine bisher wichtigste „Entdeckung“, zu der er im Jahr 2005 gelangte und die seit dieser Zeit sein Schaffen bestimmt – Bilder aus einer Folge horizontaler Linien, die auf eine mit einem breiten Pinsel frei traktierte Untermalung aufgetragen werden – ist in einem gewissen Sinn eine derartige Synthese, in der er die Landschaft mit der Geometrie, das Prinzip der Grafik, d. h. das Drucken, mit der traditionellen Malerei verbindet.
Für das Auftragen der zweiten, der Linienschicht, schuf er sich ein eigenes technisches Verfahren unter Verwendung einer Schlagschnur, eines einfachen Werkzeugs, das im Malerhandwerk zum Markieren gerader Linien verwendet wird. Es besteht aus einem Plastikbehälter, in dem eine elastische Schnur aufgerollt ist und in die man ein Farbpigment schüttet. Man befestigt das Ende der Schnur vorsichtig an einer Wand, dann spannt man die Schnur, zieht sie leicht von der Unterlage hoch und lässt sie auf diese zurückprallen, wodurch der Abdruck einer Linie entsteht. Aus dieser Beschreibung ist ersichtlich, dass die Intensität des Abdrucks nicht auf die ganze Länge gleichmäßig sein muss. Zieht man die Schnur außerhalb ihrer Mitte an, ist der Abdruck an der betreffenden Stelle stärker und breiter, am entgegengesetzten Ende kann er sich völlig verlieren. Lang versteht es, diese Möglichkeit voll zu nutzen und er hat gelernt, dieses Instrument in einem solchen Maße zu beherrschen, dass er mit ihm tatsächlich virtuos „malen“ kann. Aus der Ferne bilden die Linien eine Art nebligen Dunst, ein Sfumato. Und ebenso, wie das Sfumato der Renaissance durch Lasurschichten verschiedener Farben geschaffen wird, die sich nach den physikalischen Gesetzen im Auge des Betrachters mischen, arbeitet auch Lang mit der Interferenz nebeneinander liegender verschiedenfarbiger Linien, allerdings eher intuitiv als auf der Grundlage irgendwelcher physikalischer Analysen. Bei einem detaillierten Blick stellen wir fest, dass schließlich auch die helleren Abschnitte Linien dunklerer Abstufungen enthalten, obwohl hier die hellen dominieren, wodurch die Malerei einen lebendigen, flimmernden, sozusagen impressionistischen Charakter erhält.
In einigen Bildern erkennen wir die Umrisse von Wäldern, Wiesen und Bergen, in anderen ist die Komposition nur in die zwei markanteren räumlichen Schichten von Erde und Himmel geteilt, die sich durch die Linie des Horizonts von einander absetzen, und manchmal fehlt auch dieser, beispielsweise wenn er eine Wasseroberfläche mit dem Spiel des Lichts auf den Wellen und unbestimmten Widerspiegelungen des Himmels abbildet. Und schließlich ist es bei einigen Bildern so, dass sie nur noch das Licht (oder sogar das Dunkel) in der Landschaft „abbilden“, befreit von dem materiellen Substrat, auf dem es sich zeigt (Letztes gelbes Licht). Oder nur noch das Licht an sich, wie das auch der Zyklus von sechs Bildern aus dem Jahr 2009 belegt, der in einer improvisierten Werkstatt im Refektorium des Klosters St. Mang in Füssen am Fuß der Allgäuer Alpen entstand. Heute befindet sich hier ein regionales Museum, in dem er im selben Jahr seine Bilder vorstellte, die er während mehrerer Aufenthalte in einer Holzfällerhütte in den Bergen geschaffen hatte.4 Thema ist hier eigentlich neben dem Licht auch der Raum: Der Maler versucht hier nämlich zu erfassen, wie sich die Intensität des Lichts verändert, das durch die Fenster in jenem Teil des Raums fällt, der den Grundriss der Hälfte eines Achtecks mit sechs in die verschiedenen Himmelsrichtungen gerichteten Fenstern hat. Zum ersten Mal und vorerst auch zum letzten Mal drehte Peter Lang hier die Richtung der Linien von der Horizontale in die Vertikale – die Linien sind hier nicht mehr die Metapher einer Landschaft, die in horizontalen Schichten verläuft, sondern im Gegenteil die Metapher von oben herunterfallenden farbigen Lichts und auch vertikal orientierter Fenster.
Wir sollten noch erwähnen, dass am Anfang dieser Periode zwei einander gegenüberstehende Bilder von außergewöhnlichen Dimensionen (in der Breite von 5,60 und 7,60 Meter) stehen, die Bilder Morgen und Abend, die er im Jahr 2003 in Cham ausstellte und die durch ihre Malweise in vielem an jenes malerische Fundament der Linienbilder erinnern. Lang bildet hier den Übergang zwischen Tag und Nacht ab, das dann häufiger auch in den Linienbildern auftaucht, wie schon ihre Titel andeuten wie etwa Nebelmorgen, Neuer Tag, Wolfstunde. Ähnliche Motive, in denen das Licht die Hauptrolle spielt – nicht nur Tageslicht, sondern auch Mondlicht – tauchen auch in der Romantik des 19. Jahrhunderts auf, zum Beispiel bei dem von Lang so geliebten Caspar David Friedrich. In Friedrichs Bildern sind nicht „…Menschen, mythologische Gestalten Träger des Geschehens, sondern das Licht, das zum zentralen Referenzpunkt des Bildraums wird, zum Mittler, durch den im Modus der Natur Gott in unsere Welt dringt.“5 Nach einer mehr als tausendjährigen Pause erscheint bei den Romantikern wieder die Verbindung des Heiligen und der Natur, was den zeitgenössischen Pantheismus widerspiegelte. Noch am Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts beschrieb ein anderer großer Erbe dieser Tradition, der tschechische Maler, Grafiker und originelle Denker Josef Váchal in seinem Künstlerbuch Šumava umírající a romantická [Der Böhmerwald sterbend und romantisch] den Tagesanbruch auf dem Gipfel des Rachels als ein mystisches Erlebnis; eine Widerspiegelung seiner Schilderung finden wir dann auch auf einem der schönsten grafischen Blätter in diesem Buch. Das Wandern in ferne Gebirgsgegenden außerhalb der Zivilisation war eines der wichtigsten Kennzeichen der Romantik, das deren Definition als Kulturstil in Richtung auf ein allgemeines Lebensgefühl überschreitet, das von den Romantikern aller Zeiten einschließlich Peter Lang geteilt wird. Und so wie C. D. Friedrich ins Riesengebirge und ins Böhmische Mittelgebirge pilgerte und Váchal in den Böhmerwald, so sucht auch Peter Lang von der Zivilisation unberührte Landschaften auf, um ihnen unter die Haut zu kommen, um sie möglichst weit in die Tiefe zu erleben und ihre Atmosphäre in seinen Bildern einzufangen. Seine Herangehensweise muss jedoch eine andere sein. Wenn er seine traditionellen Landschaften als Pleinairist malt, kann er noch seinen Malkasten auf dem Rücken tragen, für seine großen Leinwände aber braucht er schon ein richtiges Atelier mit dem erforderlichen Hinterland. In Aragon stand ihm inmitten der unbewohnten Landschaft einst ein ganzes Haus zur Verfügung; in Norwegen wiederum lag die raue Natur relativ nahe bei dem Ort, an dem er sich aufhielt, und außerdem malte er hier hauptsächlich das Meer. Und in den Alpen schließlich löste er das, indem er sich auf Dauer eine Berghütte anmietete, wo er ein solches Hinterland aufbaute. Diese drei Aufenthalte und die Ergebnisse, die er dabei erzielte, bestätigten Lang in der Ansicht, dass gerade das der Weg ist, den er weiterhin beschreiten will. Die langfristige Suche danach, wie das Problem eines dauerhaften Aufenthalts in der Wildnis zu lösen sei, mündete schließlich in eine typisch Langsche Lösung: großzügig, originell und anspruchsvoll in Bezug auf die Logistik. In vielem inspirierte ihn das Atelier in Form eines verglasten Pferdewagens, das sich irgendwann gegen Ende des 19. Jahrhunderts der hervorragende tschechische Maler Špillar herrichten ließ, der in Hochofen unterhalb der Schwarzkoppe (Pec pod Čerchovem), also ganz nah bei Langs heutigem Wohnort, arbeitete; dort ist der Atelierwagen auch heute noch vor dem Gemeindeamt als örtliche Sehenswürdigkeit ausgestellt– hier hat ihn Lang auch einst gesehen.6 Das Atelier war auch mit einem Ofen ausgestattet, so dass Špillar in ihm durch die Gegend fahren und auch die Winterlandschaft einfangen konnte, wovon wir uns übrigens auch in der ständigen Ausstellung in der Galerie bratří Špillarů [Galerie der Gebrüder Špillar] in Taus (Domažlice), wo Peter Lang auch ausgestellt hat, überzeugen können. Aber während Špillar an seinen Wagen lediglich ein Pferd einspannte und sein Bewegungsradius auf die Umgebung von Hochofen (Pec) beschränkt war, „spannt“ Lang schon hunderte von Pferdestärken ein und seine Reichweite ist damit praktisch unbeschränkt … Er hat sich nämlich ein mobiles Wohnatelier ausgedacht, dessen Grundlage ein Standardcontainer ist, der sich einfach auf einen LKW oder ein Schiff laden und mit relativ niedrigen Kosten an einen beliebigen Ort in der Wildnis bringen lässt, sofern noch eine Straße hinführt. Die Energie liefert eine Solaranlage und ein Windrad, und wenn er sich an einen anderen Ort begibt, bleibt von ihm nichts als eine Spur im Gras, die sich in ein paar Jahren verliert. Und auf dem Rückweg wird der Container in seiner ursprünglichen Funktion dienen, nämlich als Transportbehälter für die gemalten Bilder. Die erste Reise ist bereits durchgeplant: Im Herbst 2010 wird der Container nach Patagonien verrückt, weitere in Aussicht genommene Landschaften sind der Baikalsee, der Grand Canyon, die Rocky Mountains oder die Küste der Nordsee.
Der Container ist eigentlich ein richtiges kleines Haus, übrigens ist der Autor seiner Ausgestaltung ein Architekt, derselbe wie im Fall von Peter Langs Haus in Gleißenberg: Florian Nagler. Der Kreis dieses Textes schließt sich nun wieder. Wir haben angefangen mit dem Haus als Symbol der Stabilität in der heutigen, sich ändernden Welt und enden mit dem Container, also einem Symbol der Globalisierung, der ewigen Bewegung von einem Ort an den anderen. Ist das ein Widerspruch? Aber das sind ja gerade die zwei Seiten der Persönlichkeit Peter Langs: eine sesshafte, die die Tradition ehrt, eine andere rebellische und unruhige mit einem Hang zum Experiment. Wenn wir bereits früher mit einer gewissen Übertreibung geschrieben haben, das Haus habe Lang einst geholfen seinen Ausdruck zu vertiefen und bis aufs Mark zu vereinfachen, so werden wir sehen, ob auch sein mobiles Atelier eine ähnliche Bedeutung für ihn haben wird. Möglicherweise beginnt mit seiner ersten Reise in eine unbekannte Landschaft auch eine Reise zu neuen Bildern beginnt, die vielleicht völlig anders sein werden als die heutigen…
Marcel Fišer
1) Das wurde ihm auch durch ein Depositorium – und zugleich auch eine Art „Show room“ für Besuche – in einer ehemaligen Bürstenfabrik im nahen Furth im Wald ermöglicht, denn hier konnte er auch die größten Formate lagern und präsentieren, die eine Breite bis zu sechs Metern haben; zur Zeit baut er sich ein eigenes Depositorium direkt in Gleißenberg.
2) Werner B. Gürtler, Peter Lang. Malerei und Graphik zweier Generationen. Katalog der Ausstellung in Miesbach. Benediktbeuern 2001.
3) Hier lediglich ein kurzer und sehr vereinfachter Exkurs in die Theorie der bildenden Kunst: Der Begriff Abstraktion erwies sich bald nach seiner Popularisierung als irreführend, den so manche „abstrakte“ Bilder waren einfach nicht durch ein Reduktionsverfahren entstanden. Aus diesem Grund kam zuletzt der Terminus Konkrete Kunst auf, der auf der These beruht, dass das Bild nicht notwendigerweise von einer Nachahmung der Realität ausgehen muss und dass die Farben und Formen eine ebenso konkrete und autonome Wirklichkeit sind wie andere Schöpfungen des Menschen. Und gerade diese Bilder von Peter Lang schwangen sich tatsächlich in der Dualität abstrakt – konkret hinüber zu diesem anderen Pol, denn sie sind schon frei von jeglichen Assoziationen an die äußere Welt.
4) Dazu mehr im Text von Meinhard Süß in diesem Buch.
5) Janata, Michal: Romantika světla – světlo romantiky [Die Romantik des Lichts – das Licht der Romantik]. In: Zemánek, Jiří (ed.): Ejhle světlo, katalog výstavy [Siehe Licht, Ausstellungskatalog], Brno a Praha: Moravská galerie v Brně, KANT 2003, S. 69.
6) Nach Špillar benutze den Atelierwagen ein weiterer berühmter tschechischer Landschaftsmaler, Alois Kalvoda, der nach dem Jahr 1918 ebenfalls häufig in das Vorland des Böhmerwalds fuhr, nachdem er sich in Wihorschau [Běhařov] ein Schlösschen gekauft hatte.