Hans Gehrke zur Wanderausstellung MTL
Sie bilden keine Künstlergruppe. Sie haben kein gemeinsames Programm. Sie sind und arbeiten denkbar verschieden. Und doch erschien ihnen, schon bald nachdem sie sich kennen gelernt hatten, der Gedanke einer gemeinsamen Ausstellung naheliegend. Nicht nur aus Gründen angestrebter Synergie und auch nicht allein aus gegenseitiger Sympathie, sondern weil sie – gerade in ihrer Verschiedenheit – überraschende Gemeinsamkeiten entdeckten.
Alle drei leben in Süddeutschland. Sie sind von Kindheit an vertraut mit Natur und Landleben. Sie haben an Kunstakademien in Süddeutschland studiert. Sie sind verheiratet und haben Kinder. Sie arbeiten gern und professionell, kooperieren mit Galerien, und erstaunlicherweise gelingt es ihnen, obwohl ihre Kunst nicht unbedingt leichte Kost ist, von ihr zu leben. Sie bevorzugen große Formate, lieben gutes Essen und anregende Gespräche. Sie sind von ganz unterschiedlicher Herkunft und ebensolchem Alter, und jeder von ihnen beherrscht mehrere, recht unterschiedliche Stile und Techniken.
Das geplante Ausstellungsprojekt sieht vor, jeweils nur einen Teilaspekt aus einem weitaus umfassenderen Arbeitsspektrum vorzustellen, freilich einen inhaltlich, formal und technisch besonders repräsentativen. Auf diese Weise soll die Ausstellung nicht nur drei sehr unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten vorstellen, sondern auch drei elementare Themen und Gattungen. Die ausgestellten Arbeiten sollen einander ergänzen, nicht aber erklären. Es soll sein wie bei einem guten Menü mit drei Gängen: Aus der Verschiedenheit entsteht eine spannungsreiche, stimmige Einheit.
Josef Lang, der Bildhauer, wurde 1947 in Bad Tölz geboren. Erst nach einer kaufmännischen Ausbildung und Tätigkeit sowie einer Steinmetzlehre fand er den Weg zur Kunst, studierte in München, war Meisterschüler bei Professor Koch und ließ sich dann im Allgäu, in Denklingen, nieder. Holz, Stein und Bronze sind seine bevorzugten Materialien. Auf dem Gebiet der Kunst im öffentlichen Raum hat er Beachtliches vorzuweisen. In der Ausstellung wird er einige große, mit der Kettensäge aus dem Stamm gearbeitete Holzskulpturen zeigen, archetypische menschliche Gestalten, deren Materialcharakter durch eine monochrome Farb-Fassung modifiziert und verfremdet wird.
Abi Shek, Bildhauer, Zeichner und Grafiker, stammt aus Israel. Er wurde 1965 in Rehovot geboren, wuchs in einem Kibbuz auf und studierte, unter anderem bei seinem Landsmann Micha Ullman, in Stuttgart, wo er auch heute lebt und arbeitet. Tiere sind ihm von klein auf vertraut – ihre Gestalt, ihr Wesen, das Typische, ihre Individualität. Auf sie konzentriert sich in immer neuen Variationsreihen sein plastisches, zeichnerisches und grafisches Schaffen. Im großformatigen Holzschnitt wird ein skulpturales Verfahren in die Fläche übersetzt, wird zur markanten Silhouette, zur Chiffre.
Peter Lang, Maler und Grafiker, ist weder verwandt noch verschwägert mit seinem zuvor genannten Namensvetter. Er ist Jahrgang 1965 und stammt aus Holzkirchen. Auch er studierte in München. Er lebt und arbeitet seit 1993 freischaffend in Gleißenberg in der Oberpfalz, nahe der tschechischen Grenze. Konkrete Landschaftserfahrungen sind die Grundlage seiner Arbeiten, die gleichwohl als autonome Farbmalerei erlebt werden können. Peter Lang hat, ausgehend von konstruktiven Bilderfindungen, für seine Landschaftsbilder eine spezielle Technik entwickelt. Mit Hilfe pigmentierter Schnüre werden in einer Art Abdruckverfahren dichte Horizontlinien auf den in vielen Schichten lasierten Leinwand-Grund aufgebracht. Aus einem dreidimensional operierenden Verfahren entstehen so in der Fläche des Bildes aus der Tiefe leuchtende farbige Räume.
Die Ausstellung wird also drei grundverschiedene Themen, aber auch drei unterschiedliche Techniken bzw. Gattungen einander gegenüberstellen: Die Themen Mensch, Tier und Landschaft, und die Techniken Skulptur, Malerei und Grafik. Beides ist weder spektakulär noch auf effektvolle Weise innovativ. Ganz im Gegenteil handelt es sich um elementare, klassische Themen und Techniken, und damit um ein ganz bewusstes Anknüpfen an eine große alte, doch nach wie vor aktuelle und keineswegs erschöpfte Tradition.
Die Themen Mensch, Tier und Landschaft haben den Menschen seit Urzeiten beschäftigt und seine künstlerische Potenz herausgefordert. Es geht um nichts weniger als um die Grund-Fragen unserer Existenz, um Fragen wie „Wer bin ich?“ „Wo stehe ich?“ „Wer ist mein gegenüber?“, um die Welt, in der wir leben, um uns selbst und um unsere Mitgeschöpfe. Es geht um Schöpfung und Geschöpfe. „Kunst ist Schöpfungsgleichnis“, sagt Paul Klee.
Zugleich beschäftigt sich die Ausstellung in jeweils unterschiedlichen Ansätzen aber auch mit den elementaren Dimensionen künstlerischer Artikulation – mit dem komplexen Wechselspiel von Linie, Farbe, Fläche und Raum. Und sie zeigt, dass es heute wieder möglich und wahrscheinlich auch notwendig ist, sich mit Tradition, mit Natur, Heimat und Schönheit auseinanderzusetzen.
Hans Gercke