Langs Landstriche – Norwegische Bilder

Dr. Heinz Höfchen, im Katalog Peter Lang – Landstriche, Köln 2006

Obwohl Peter Lang durchaus schon als Maler hervor getreten ist, gilt er doch eigentlich als Holzschneider, als Schöpfer großformatiger, oft mehrteiliger Farbholzschnitte, mit denen er in den letzten Jahren Aufmerksamkeit auf sein Schaffen gezogen hat. Sein seit 1998 entstehendes konkretes Holzschnittwerk zeigt meist Ton in Ton große Formsetzungen, der Farbgedanke entwickelt sich als Charakteristikum in Nuancen. Langs Inspiration dafür sind Landschaftsräume, er liebt besonders die Tiefenabwicklung in den Ausblicken auf die Landschaft des Oberpfälzer Waldes, der Gegend, in der er lebt.

Tapetenwechsel: Vom 1. Juni bis zum 15. Juli 2006 – gerade recht zur Sonnwendzeit – hat Peter Lang ein Stipendium für einen Arbeitsaufenthalt im nordnorwegischen Trondheim wahrgenommen. Er nähert sich dem Künstlerhaus Lademoen Kunstnerverksteder in Trondheim langsam und mit Bedacht. Er macht zunächst von Oslo kommend mit dem Wagen eine Rundreise über Bergen und den Sogne-Fjord. Er freundet sich mit der großartigen norwegischen Landschaft immer mehr an, saugt die so heroisch-urtümlichen Landschaftsformen von Fjell  und Fjord  in sich auf, erschließt sich immerfort zeichnend die Annäherung im fremden Land.

Und Peter Lang kommt in Trondheim an: Er malt nun in einer unglaublichen Begeisterung, in einem Furor des Schaffens zwanzig großformatige Bilder, die gültiger Ausweis seines nordischen Erlebens sind. Vor allem die Küste fasziniert ihn. Da er seine konkreten Landschaften schon immer in einer rhythmisierten Abfolge von Schichtungen aufbaut, steht er hier – im Innersten berührt – vor einem Quantensprung landschaftlichen Tiefenraums.

Die Herausforderung der künstlerischen Bewältigung dieser räumlichen Abwicklungen führt Peter Lang zu einer maltechnisch ganz eigenen Lösung, die eine erstaunliche ästhetische Wirkung zeitigt. Er setzt bei den norwegischen Bildern für die horizontale Linienbildung durchgehend Maurerschnüre ein und erreicht durch einen kleinen Kniff in der Handhabung ein pigmentgetränktes leichtes sfumato seiner Landstriche. Es ist ein Flirren um diese Strichlagen, das je nach Farbabfolge warme oder kühle Stimmungen auslöst, jedenfalls den Hauch der Atmosphäre spüren lässt. Betont werden muss, dass wir es mit abstrakten Gemälden zu tun haben – nicht mit Ungegenständlichkeit. Denn Lang geht von den Dingen aus und abstrahiert sie – auch wenn man sie nicht sieht, bleibt er ihnen wesentlich verbunden.

Im Gespräch mit dem Künstler wird schnell deutlich, dass Peter Langs Kunst auf einer tiefen Auseinandersetzung mit der Natur beruht. Dabei geht es natürlich nicht um die nüchterne Übertragung zufällig beobachteter Naturerscheinungen in eine Bildform. Es geht vielmehr darum, die Idee der Landschaft in ihrer grundsätzlichen Klarheit herauszuarbeiten und dieses imago malerisch zu formulieren. Lang fühlt sich in dieser immanenten Zielsetzung der Malerei der deutschen Romantik verbunden, er nennt Caspar David Friedrich als wesentlichen künstlerischen Bezugspunkt.

Der Aufenthalt in Trondheim bringt Peter Lang auch die Bekanntschaft mit Bildern von Peder Balke, einem norwegischen Maler der Spätromantik, auf den ihn dortige Kollegen aufmerksam machen. Das Großzügige des landschaftlichen Entwurfs und die lasierend vorgetragene Leichtigkeit der Malerei Balkes beeindrucken Lang, der in diesen Bildern sein eigenes Bemühen und seine künstlerische Grundhaltung erkennt und die Ähnlichkeit in

Empfinden und Absicht spürt. Umso mehr interessiert ihn der Norweger, als er erfährt, dass Peder Balke Schüler Johann Christian Dahls war, der ein enger Künstlerfreund Caspar David Friedrichs gewesen ist. So schließt sich der Kreis für Peter Lang, er kann sich in seiner spezifischen Auffassung von Landschaft bestätigt fühlen.

Man muss sich dabei klarmachen, dass es in der Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst nicht nur die französisch bestimmte Linie von Monet und den Impressionisten bis zu Matisse und Picasso, die alla prima Malerei und die des Augenblicks gibt. Eine andere Traditionslinie geht von Caspar David Friedrich und der Malerei der Romantik aus und führt etwa über Munch und Hodler bis zu Mondrian und Mark Rothko. Und eben auch zu Peter Lang, dem es nicht um die Impression des Augenblicks, den schnellen Wurf, sondern im Gegenteil um das kontrollierte Wachsen der Malschicht geht. Er braucht und schafft sich für seine Malerei gewissermaßen ein Fundament, dem er trauen kann, denn er ist in seinen künstlerischen Äußerungen keinesfalls spekulativ, er baut bedächtig Linie um Linie seiner Landstriche.

Selbstverständlich haben diese Landschaften – blickt man auf Genese und geistigen Hintergrund – gerade in unserer säkularen Zeit eine transzendentalen Aspekt. Man darf sicherlich nicht soweit gehen, hier in der Nachfolge Caspar David Friedrichs einen Verweis auf das Göttliche in der Landschaft zu sehen. Gleichwohl geht es natürlich um das Geheimnis der Natur, um mystische Erfahrungen mit ihr, um die Möglichkeit, das Natürliche ins Übernatürliche zu deuten, letztlich um das, was hinter der sichtbaren Welt liegt.

Heinz Höfchen

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