Die Farben von Hellissandur

Dr. Reiner Meyer zur Ausstellungseröffnung im Leeren Beutel Regensburg

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wolbergs, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, sehr geehrte Förderkreismitglieder, lieber Peter Lang, liebe Familie Lang, liebe Isländerinnen und Isländer, meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich darf Sie alle sehr herzlich hier in der Städtischen Galerie willkommen heißen. Ich freue mich, dass Sie mit uns die Eröffnung dieser Ausstellung begehen.

Darf man heute noch so malen? Ist das wirklich zeitgemäß?

Diese Fragen könnten bezüglich dieser Ausstellung Teil einer Kontroverse sein. Das meint nicht irgendjemand, sondern der Künstler Peter Lang selbst. Diese Fragen, meine sehr verehrten Damen und Herren, greife ich gerne auf, also:

Darf man heute noch so malen? Ich meine entschieden: Ja man darf! Warum meine ich das?

Zunächst einmal ist die Freiheit der Kunst ein hohes Gut und räumt den bildenden Künstlern einen sehr großen Spielraum ein. Das in unserer Demokratie verbriefte Recht existiert aus sehr gutem Grund. Dazu muss man nur in das 20. Jahrhundert zurückschauen, das den Künstlern während der Nazidiktatur in Deutschland dieses Recht schlicht verweigerte und in Unrecht verwandelte.

Wenn heutzutage ein Künstler, wie Jonathan Meese, mit ausgerechnet nationalsozialistischen Gesten provoziert und sich mit der Freiheit der Kunst dafür rechtfertigt, so wird damit die Diskussion angestoßen, was schwerer wiegt, die Freiheit der Kunst oder das Verbot des Hitler-Grußes. Dies zu beurteilen blieb dem Amtsgericht Kassel überlassen, das den Künstler vom Vorwurf der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen freisprach. Man mag zu dem Urteil stehen, wie man will: Die Freiheit der Kunst wurde mit diesem Urteil sehr gestärkt.

Bei Peter Lang liegt der Fall natürlich anders. Seine Kunst provoziert vielleicht, aber längst nicht in dem Ausmaße, wie das beispielsweise bei Meese der Fall ist. Aus dieser, juristischen Sicht „darf“ er zweifelsohne.

Peter Lang meint aber selbstverständlich etwas anderes:Er meint: Darf man vor dem Hintergrund der Entwicklung der bildenden Kunst der letzten gut 100 Jahre „so“ malen, im Sinne von „so“ traditionell, in der jahrhundertealten Gattung Landschaftsmalerei.

Ist es noch zulässig, sich in die Landschaft zu begeben und dort zu malen? Oder ist diese Vorgehensweise nicht eine, die dem Impressionismus und seinen unmittelbaren Vorgängern, der Schule von Barbizon, vorbehalten bleiben muss? Immerhin einer Zeit, die jetzt bereits mehr als 150 Jahre zurück liegt.

Ist also eine solche künstlerische Position nicht längst überholt? Oder kann Peter Lang der Malerei neue Aspekte hinzufügen?Ist schließlich das Malen an sich nicht schon Schnee von gestern? Diese ganzen Fragen impliziert, meiner Meinung nach, diese eine: Darf man heute noch so malen?

Was Peter Lang betrifft, so muss er „so“ malen. Er folgt seiner inneren Stimme. Es drängt ihn nach draußen und es drängt ihn an die Grenzen der Zivilisation. Dass er für seinen letzten Malaufenthalt ausgerechnet Island wählte, ist beileibe kein Zufall. Angesichts seines ersten Besuches auf der Insel im hohen Norden, beschloss er bereits in jungen Jahren, Landschaftsmaler zu werden. Das überwältigende Naturerlebnis – ein Schlüsselerlebnis im Leben des Malers – löste dieses Vorhaben aus. Dieses Ziel hat er dann beharrlich, ja man möchte sagen kompromisslos, verfolgt.

Ein weiteres wichtiges Ereignis war sein Norwegenaufenthalt im Jahre 2006. Das Oberpfälzer Künstlerhaus, das einen regen, internationalen Künstleraustausch organisiert, ermöglichte dem Maler diese Reise nach Skandinavien. Auch hier waren die Landschaftseindrücke von großer Wucht. Darüber hinaus entdeckte Peter Lang in Norwegen einen künstlerischen Seelenverwandten, den dort heimischen Maler der Spätromantik, Peder Balke. Dieser war Schüler von Johann Christian Clausen Dahl, der wiederum ein Künstlerfreund Caspar David Friedrichs war. Und dieser wird von Peter Lang sehr verehrt. Ich komme später noch einmal darauf zurück.

Die Norwegenreise bewirkte jedoch noch etwas anderes. Der Maler wollte nicht mehr abhängig sein von Künstleraustauschprogrammen oder Stipendien, so verdienstvoll diese ohne jeden Zweifel auch sind. Vor allem wohl die zeitliche Dauer spielte dabei eine nicht unerhebliche Rolle.

Die Zeit und die damit verbundene Intensität sind entscheidend bei Peter Lang. Man kann eine Landschaft nur dann wirklich erfassen, wenn man über einen längeren Zeitraum mit und in ihr lebt, so das Credo des Künstlers. Während eines Malaufenthaltes in den Alpen mietete er deshalb eine Hütte über einen längeren Zeitraum an. Die Erfahrungen, die er dabei machte und auch das Vorbild des tschechischen Malers Spillar, der im späten 19. Jahrhundert in der Nähe von Peter Langs Wohnort ein mobiles Atelier in Gestalt eines verglasten Pferdewagens benutzte, führten schließlich zu seiner Container-Idee.

2010 ließ er einen Überseecontainer zum Atelier- und Wohnhaus umbauen. Dazu fertigte eine Firma aus Gleißenberg eine große Holzveranda, die mittels eines Überzeltes vor der Witterung geschützt wird und als großzügige Malerwerkstatt dient. Das alles ist so konstruiert, dass es abgebaut in den Container passt. Ab jetzt war der Künstler überwiegend frei von örtlichen oder zeitlichen Gegebenheiten. Damit nicht genug, dient der Container nach Ende der Malreise als Transportkiste seiner Bilder.

Erste Station von „Peters Reise-Container“, oder kurz PRC, war Südamerika, genauer gesagt die atemberaubende Landschaft Patagoniens. Dort mitten hinein ließ Peter Lang sein mobiles Atelier stellen. Er blieb gut 5 Monate an diesem sehr windigen und einsamen Ort. Die Bilderausbeute war groß. Der erste Malaufenthalt im eigenen Atelier erwies sich als voller Erfolg.

Schon schmiedete er neue Reisepläne. Schließlich fiel die Wahl auf Island. Wir erinnern uns: jene Insel, die ihn einst zum Landschaftsfach inspirierte.Die Grundvoraussetzungen hätten also kaum besser sein können. Man durfte auf die Ergebnisse äußerst gespannt sein.

Eine Auswahl sehen Sie jetzt hier in der Städtischen Galerie. Bis auf wenige Bilder, die in der Oberpfalz und in Patagonien entstanden, zeigt die Ausstellung die neuesten Island-Arbeiten, vom Großformat in stolzer Breite von fast 6 Metern bis zu Tuschpinselzeichnungen, die Sie im 2. OG anschauen können.

Das Ergebnis der Islandreise überzeugt restlos. Peter Lang lotete alles nur Denkbare aus: vom Tiefdunkel der Nachtbilder bis zum gleißenden Weiß der Schneelandschaften. Dazwischen findet sich eine breite Palette feinster isländischer Farbnuancen, die er nach Aussage der Einheimischen, im Laufe der Zeit immer besser getroffen hat. Genau an dieser Stelle macht sich das Konzept des längeren Malaufenthaltes positiv bemerkbar.

Auch die Vorbereitung der Leinwände braucht Zeit. Was „slow food“ für das Restaurant „Leerer Beutel“ ist, das ist „slow painting“ für Peter Lang. Zu diesem slow-painting gehört auch, dass der Künstler seine Farben in Ei-Tempera-Technik selber vor Ort herstellt und dies unter anderem mit Pigmenten, die am Platz gewonnen wurden. Das Gemälde hinten neben dem Eingang ist ein solches, mit Islandpigmenten gemaltes Bild.

Mithilfe der Ei-Temperafarben legt der Maler dann eine Grundstimmung an, hier und da werden auch topografische Gegebenheiten markiert. Im Prinzip des „fett auf mager“ folgt dann eine Schicht transparenten Bindemittels. Während dieses noch feucht ist, spannt der Künstler eine Schlagschnur, wie man sie aus dem Malerhandwerk kennt, vor die Leinwand. Das Kästchen der Schnur ist mit Pigmenten gefüllt, die beim Aufschlag der Schnur auf der Leinwand an diese abgegeben werden. In ca. 1-2 cm Abstand wird dieses Prozedere wiederholt – über die gesamte Bildfläche. Die Pigmente haften am Bindemittel und so wird das Werk vollendet. Das Verfahren ist eine Art gesteuerter Zufall, denn wie und wo genau die Pigmente sich verteilen, kann der Künstler nicht beeinflussen.

Durch diese Zweischichten-Technik entsteht ein faszinierendes Farbspiel von Übergang und Irritation. Darüber hinaus führt das Verfahren zu einer völlig neuen Form der Landschaftsmalerei, denn sie wird verfremdet, ohne sie zu zerstören.

Und es gibt einen weiteren Punkt. Stellen Sie sich, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine weiße Leinwand vor, oder ein weißes Blatt Papier. Und dann stellen Sie sich eine waagerechte Line darauf vor. Schon lässt sich das entstandene Bild als Landschaft lesen. Aber es bleibt trotzdem der Aspekt der Ungegenständlichkeit, denn letztendlich ist es ja nur ein Strich. Diese Ambivalenz ist faszinierend und die gibt es so nur im Landschaftsfach.

Peter Lang multipliziert in seinen Gemälden die Horizontlinie und gestattet ihr, sich über die gesamte Bildfläche auszubreiten. Welch ein kluger künstlerischer Schachzug! Er selbst nennt die Linien, in Anspielung an unser digitales Zeitalter, „Lang-Pixel“.

Auf ein anderes Zeitalter möchte ich an dieser Stelle noch kurz zu sprechen kommen – auf die Epoche der Romantik, die vor 200 Jahren als Haltung alle Bereiche des geistigen Lebens erfasste, so auch die Malerei. Kern dieser Haltung war die Sehnsucht des Menschen nach Verschmelzung mit der Natur. In den romantischen Landschaftsbildern kam es zu einer Gegenüberstellung von irdischer, für den Menschen erreichbarer Umgebung, mit der unerreichbaren, göttlichen Sphäre, oft in Gestalt des Mondes oder auch anderer, sonnenbedingter Lichterscheinungen am Himmel.

Man nennt dies das dualistische Prinzip der romantischen Landschaftsmalerei. Das Nichterreichenkönnen der Unendlichkeit verbunden mit dem Verlangen genau mit dieser eins zu werden drückte die romantische Sehnsucht aus.

Diese Natursehnsucht hat auch Peter Lang. Er sucht entlegene Orte, um sie möglichst genau zu erfahren. Er saugt die Lichtstimmung ein, verinnerlicht sie, um sie dann an der Leinwand wieder hervorzuholen. Das gelingt ihm so präzise, dass die Einheimischen auf den Tag und auf die Stunde genau sagen konnten, wann dieses Licht so in natura war. Diese Leistung setzt ein Sicheinsfühlen mit der Natur voraus. Auch der romantische Sinn für gleitende Übergänge spiegelt sich letztendlich in Peter Langs Gemälden wider.

So gesehen war die Entdeckung des bereits erwähnten norwegischen Spätromantikers Peder Balke nur logisch. Das alles bedeutet jedoch nicht, dass Peter Lang eklektizistisch zu Werke gehen würde. Es ist vielmehr diese spezifische Grundhaltung, die ihn mit seinen großen Vorgängern verbindet. Auch er folgt dem romantischen Impuls, der nun schon seit 200 Jahren in der Geistesgeschichte immer wieder nachweisbar ist.

Denken Sie nur an den „Blauen Reiter“ und dort vor allem an die Werke von Franz Marc, der das Ideal des Einssein der Tiere in und mit ihrer natürlichen Umwelt in seinen Bildern feierte und darin nichts anderes als seine eigene Natursehnsucht zum Ausdruck brachte. Romantischer geht es wohl kaum und dies gut 100 Jahre nach der Kernzeit zwischen 1800 und 1830.

Die Romantik darf jedoch nicht missverstanden werden. Heute wird sie im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit Sentimentalität gleichgesetzt. Dies trifft jedoch in keiner Weise den Kern. Im Ursprung war die Romantik eine Protest- und Gegenbewegung und richtete sich unter Betonung des Gefühls gegen die reine Vernunft der Aufklärung. Sie war aber auch Kritik an der aufkommenden Industrialisierung und auch an der immer stärker werdenden Entfremdung des Menschen von der Natur.

Dieser Umstand jedoch ist zeitlos und auch ein Problem unserer Epoche. Damit lässt sich auch die eingangs gestellte zweite Frage, ob denn Peter Langs Kunst noch zeitgemäß sei, eindeutig mit Ja beantworten.

Erlauben Sie mir am Ende noch einen anderen Aspekt kurz anzusprechen, gewissermaßen um das Bild abzurunden. Regensburg ist der genius loci der Landschaftsmalerei, denn mit der so genannten Donauschule, um den Maler Albrecht Altdorfer, trat die Landschaftsmalerei als autonomes Tafelbild in die Kunstgeschichte ein. Zeichnungen und Aquarelle zum Landschaftsthema gab es natürlich schon vorher, beispielsweise von Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer. Altdorfer jedoch erhob die Landschaft endgültig zum gleichberechtigten Thema.

Der Umzug Peter Langs in unsere Region passierte vielleicht auch vor diesem Hintergrund nicht zufällig. Es zog ihn aber auch in die mystische Sphäre des Bayrischen Waldes und des Böhmerwaldes. Viele Künstler vor ihm ließen sich von diesem geheimnisvollen Landstrich inspirieren. Nach dem 2. Weltkrieg gründete sich beispielsweise die Donau-Wald-Gruppe, die dieser Tradition folgte.

Hier in der Oberpfalz fand Peter Lang seine neue Heimat, auch in künstlerischer Hinsicht. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, hinauszuziehen in die Welt, um neue Erfahrungen zu sammeln, sich persönlich und künstlerisch weiter zu entwickeln. Hier aber hat er sein Basislager, sein solides Fundament, von dem aus noch so mancher einsamer Landstrich darauf wartet, von ihm entdeckt und auf so unverwechselbare Art und Weise interpretiert zu werden.

Reiner Meyer 

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